„Zucker im Po: Der Fachkräftemangel, Gen Z und die Realität der Arbeitswelt“
Der Fachkräftemangel ist ein Dauerbrenner in der Arbeitswelt, und während wir darüber diskutieren, wie verwöhnt die junge Generation ist, steckt hinter ihrem vermeintlichen Anspruch nach „Zucker im Arsch“ oft einfach der Wunsch nach einem ganz „normalen“ Umgang miteinander.
Doch was ist schon „normal“?
Schauen wir auf das Handwerk, eine Branche, die in dieser Debatte eine besondere Rolle spielt. In meinen Vorträgen im Handwerk frage ich gerne:
„Wer wurde in seiner Ausbildung regelmäßig angeschrien?“
Und wie Sie sich denken können, heben nahezu alle ihre Hände. Hier und da, ist es wohl ganz normal, seine MitarbeiterInnen anzuschreien.
Es ist erstaunlich, wie viele Handwerksbetriebe nach wie vor fragwürdige Traditionen in Sachen zwischenmenschlicher Kommunikation pflegen. Oft hört man Sätze wie: „Das muss man schon abkönnen“ oder „Hat uns ja auch nicht geschadet“ oder gar „Junge Leute sind heute einfach zu sensibel“.
Doch Achtung:
Choleriker mit Wutproblemen gehören definitiv nicht auf Führungspositionen!
Tatsächlich kündigen die meisten Menschen nicht ihre Jobs, sondern ihren direkten Vorgesetzten – nicht zuletzt, weil der Chef „einfach ein Arschloch“ ist.
Aber warum lassen sich Menschen überhaupt anschreien? Der wohl plausibelste Grund ist: „Ich habe keine Wahl.“ Doch dieser Punkt ändert sich gerade, und das ist eine erfreuliche Entwicklung. Junge Menschen sind nicht mehr bereit, sich anschreien zu lassen, sich ausbeuten zu lassen oder respektlos behandeln zu lassen. Das Beste daran ist, sie haben heute die Wahl, woanders hinzugehen – zu attraktiveren Branchen, Unternehmen mit besserer Unternehmenskultur und zu netteren Führungskräften.
„Jedes Unternehmen bekommt die Mitarbeiter, die es verdient… oder eben nicht.“
Das wird dazu führen, dass Unternehmen, die ihren Mitarbeitern die Wertschätzung und den Respekt entgegenbringen, den sie verdienen, auch automatisch mehr Bewerbungen anziehen werden.
Die jungen Menschen, sei es im Handwerk oder in anderen Branchen, verlangen keinen „Zucker im Po“. Sie erwarten nur, was selbstverständlich sein sollte: nicht angeschrien zu werden, keine unbezahlten Überstunden und nicht für die Arbeit körperlich oder seelisch ausgenutzt zu werden.
Es ist an der Zeit, den „Popo-Zuckerspender“ beiseitezuschieben und die Strukturen und Ursachen für die niedrige Wertschätzung der Mitarbeitergesundheit und -zufriedenheit zu beleuchten.
Und wenn Einwände wie „Die Fehlzeiten können wir uns nicht leisten“ oder „Mehr Pausen können wir uns nicht leisten“ oder „Eine Vier-Tage-Woche können wir uns nicht leisten“ oder „Bessere Bezahlung können wir uns nicht leisten“ oder sogar „Diese Maßnahme können wir uns nicht leisten“ (oder „Den Vortrag von Herrn Letzner können wir uns nicht leisten“) auftauchen, dann ist die einzig sinnvolle Antwort: Ja, das stimmt! Aber noch viel weniger können sich Unternehmen in Zukunft leisten, keine Bewerbungen mehr zu erhalten.